lost&found
Diese neue Fotoheft-Reihe stellt analoge Fotografen und Bildarchive vor. Intuition, der blanke Zufall, seltsame Begegnungen und das langsame Vergehen der Zeit halfen beim Entdecken der Bilder für die Hefte. Alle haben ihre eigenen bemerkenswerten Geschichten: die Geschichte der einzelnen Fotografen, die Geschichte der/des Fotografierten, die Geschichte der jeweiligen Archive und ihrer Entdeckung, und nicht zuletzt die sichtbare Geschichte des unvermeidlichen Verfalls der analogen Bilder, hervorgerufen durch Produktion, Gebrauch und Lagerung. Alle Bilder werden unretuschiert abgebildet und tragen so die Spuren ihrer Geschichte mit sich, aus den Tiefen ihrer Emulsionen bis an die Oberflächen.
Eugen Gerbert | Gerti
Die Fotografien dieses Buches entstammen dem umfangreichen Bildarchiv des Eisenbahners Eugen Gerbert (1923–1995). Nach dem Krieg, den er mehrfach verwundet überlebte, nahm er seine frühere Tätigkeit bei der Reichsbahn wieder auf. 1952 lernte er Gerti (1931–2017) kennen, 1954 heirateten sie. Gerti wurde nicht nur seine Frau und Mutter zweier Söhne, sondern auch Muse und Lieblingsmodell. Mit ihr konnte er seine Kreativität und fotografische Leidenschaften ausleben. Ab den frühen 1950er-Jahren bis ins höhere Alter fotografierte er seine Frau ausdauernd und hingebungsvoll. Gerti, immer und immer wieder – in selbstgenähten Kleidern, in Unterwäsche, im Bikini oder nackt, unterwegs, am Strand, im Wald, im Auto oder zuhause. Vieles entstand spontan, anderes ist bewusst inszeniert. Der leidenschaftliche Amateurfotograf hinterließ bei seinem Tod ein wohlgeordnetes Bildarchiv mit zehntausenden von Negativen, Vergrößerungen und Dias. Meistens werden solche privaten Bildarchive nach dem Tode der Beteiligten vernichtet – nicht so in diesem Fall. Gerti Gerbert selbst entschied nach Eugens Tod, die Bilder öffentlich zu machen. Sie traf auf Siegfried Sander, den Hamburger Galeristen und begeisterten Sammler fotografischer Nachlässe und vermachte ihm das Archiv ihres Mannes mit dem Auftrag zur Veröffentlichung. Die Publikation gibt einen ersten konzentrierten Einblick in die private Leidenschaft des Eugen Gerbert und erfüllt so auch Gertis Wunsch nach öffentlicher Wahrnehmung für die Bilder ihres Mannes.
Ausstellung: Opelvillen, Rüsselsheim, 2. Mai bis 29. Juli, 2018, als Partnerprojekt der Fototriennale RAY 2018