1986 – die Achtziger sind zur Hälfte vorbei. Im April schmilzt in Tschernobyl der Reaktor durch, der Kalte Krieg taumelt seinem Ende entgegen, Helmut Kohl ist Kanzler, AIDS wird gerade als pandemische Bedrohung auch bei uns wahrgenommen, die bundesrepublikanische Wohlstandsgesellschaft beginnt den Konsum als Freizeitvergnügen zu betrachten… In diesem Jahr bekam Michael Kerstgens, damals Student an der Gesamthochschule Essen (vormals Folkwangschule), ein Stipendium mit dem Auftrag, sich mit dem Thema „Freizeit“ fotografisch auseinanderzusetzen. Er nutzt es, um den Westdeutschen bei ihren liebsten Freizeitbeschäftigungen zuzuschauen: Sport, Fitness, Fußball, Feiern, Freibad, Tennis, Golf (und Minigolf) spielen, Golf (und Opel) fahren, Shopping…. Klaus Honnef bezeichnet in seinem Text die 80er als Lieblingsjahrzehnt der Westdeutschen. Im Vergleich zu ihren Landsleuten in der DDR ging es ihnen hervorragend. In den Publikationen der letzten Jahre stand die DDR-Vergangenheit zu Recht im Vordergrund. Umso spannender ist der fotografische Systemvergleich, den uns Kerstgens mit seinen lakonisch-dokumentarischen, präzise beobachteten Bildern einer relativ sorglosen bundesdeutschen Gesellschaft ermöglicht. Die großen Veränderungen am Ende des Jahrzehnts waren unvorstellbar – das Hier und Jetzt war wichtiger und unterhaltsamer! Für alle, die die 80er in der BRD bewusst miterlebt haben, sind die Bilder von Michael Kerstgens eine (schrecklich-schöne) Erinnerungsreise, für alle anderen eine wichtige visuelle Lehrstunde!
Über den Fotografen
Michael Kerstgens (*1960), mehrfach preisgekrönt, arbeitet seit seiner Studienzeit in den achtziger Jahren fotografisch. „1986“ ist seine sechste Buchveröffentlichung. Seit 2007 ist er Professor an der Hochschule Darmstadt.
Interview zwischen Damian Zimmermann, Photoszene Köln und Michael Kerstgens
Ausstellung
Weltkulturerbe Völklinger Hütte, 25. April – 28. November 2021
Ausgewählte Presse
Tagesanzeiger
SR-Fernsehen
3sat – Kulturzeit